Außenweserveränderungen seit 1881

Vor ein paar Tagen entdeckte ich im Jahrbuch 2022 der DGzRS den teilweisen Abdruck einer Seekarte von 1881. Er zeigte die Mündung von Weser und Jade und das Watt in diesem Bereich. Ausschnitte davon zeige ich auch hier.

An diesen Ausschnitten kann man sehr interessante Dinge beobachten. Zum Zeitvergleich: das war ungefähr die Zeit, als die Ritterhuder Schleuse zur Entwässerung des Teufelsmoores gebaut wurde, durch die wir heute noch immer hindurchmüssen, wenn es raus ins Watt gehen soll (1876 gebaut).

Hier mal der erste der beiden Kartenausschnitte:

Was fällt auf? Das heutige Fahrwasser der Weser gibt es noch nicht. Während heute das Wurster Fahrwasser (auch „Alte Weser“ genannt, jedenfalls in Teilstücken) und der Fedderwarder Priel (damals noch „Fedderwarder Fahrwasser“) von Großschiffen ungefahrbare Nebengewässer sind, war das Wurster Fahrwasser damals das Hauptfahrwasser der Weser. Und – man merke auf! – das „Fedderwarder Fahrwasser“ war ein vergleichsweise breites, gerade und tiefes Fahrwasser, das Robbenplate und Langlütjensand umschloss und sich bei Bremerhaven wieder mit dem Wurster Fahrwasser zur Weser vereinigte. Wollte man damals also nach Burhave oder Fedderwardersiel, so nahm man ab Bremerhaven einfach das Fedderwarder Fahrwasser und wählte den direkten Weg!

Was fällt noch auf?  Nun, für die Kenner des heutigen Wurster Watts sind da altbekannte Namen noch wichtige Seezeichen, bzw. Legden und Priele. „Meyers Legde“ (übrigens treudeutsch ausgesprochen, wie geschrieben und nicht englisch wie „ledsch“ oder so!) war nichts anderes als die Prielkante des damaligen Hauptfahrwassers. Und „Eversand“ und „Schwarze Gründe“ lagen auch damals hoch und trocken. Unterschied: damals standen dort die nach ihnen genannten Leuchtfeuer, heute finden sich noch die Sockel derselben dort im Watt (und in der Seekarte), getrennt nach „Alter Turm“ und „Neuer Turm“. Und eine „Jungfern-Bake“ ist dort eingetragen, von der ich noch nie was gehört habe.

Erstaunlicherweise sind weder für Fedderwardersiel noch für Burhave Häfen eingezeichnet. Dafür existiert das Fort Brinkamahof noch, das ja auch erst in der letzten Ausbauphase des Containerterminals weichen musste. Ich bin noch oft daran vorbeigesegelt. Der Leuchtturm Brinkamahof steht ja heute bei der Marina im Fischereihafen. Es war eine gewaltige Aktion, ihn damals dorthin zu transportieren.  Jetzt der Blick auf den zweiten Kartenausschnitt:

Was fällt hier auf? Mir eine ganze Menge (hi). Erst einmal das „Leuchtschiff Bremen“ (Feuerschiff). Es liegt dort, wo die Weser zur Deutschen Bucht wird und sich mit Jade und Elbe vereinigt. Nicht ganz, aber fast. Jedenfalls sind Hauptfahrwasser „Wurster Fahrwasser“ und „Fedderwarder Fahrwasser“ hier schon wieder vereint, bzw. noch nicht getrennt. Beim „Dwarsgatt„, das heute noch existiert, vereinigen, bzw. trennen sie sich (je nach Blickrichtung).

Links unten in der Jade sehen wir ein weiteres „Leuchtschiff“ vor Anker. Ungefährt dort, wo heute Tiefwasserhafen und Einfahrt in die Kaiserbalje sind, also am Solthörner Watt vor Tossens. Und- wer schon mal mit mir gesegelt ist, muss es gehört haben: Mein Lieblingskirchturm „Langwarden“ ist als wichtiges Seezeichen eingetragen und sogar mit einer Peillinie zu einem „LT“ (Leuchtturm) versehen. Grob dort, wo heute Robbenplate steht. Also, für Seefahrer war damals nicht die Arp-Schnitger-Orgel in der Langwarder Kirche von Bedeutung, die heute Orgelfans weltweit anzieht. Damals war die überragende Sichtbarkeit des hohen Turmes ein gut zu peilendes Landzeichen für Seeleute. Noch heute ist es so: Fährt man übers Watt von Bremerhaven nach Wilhelmshaven, so hat man auf 80 Prozent der Strecke Langwarden in gefühlt immer derselben Entfernung neben sich. Nur die Posititon ändern sich in einem Halbkreis von „voraus“ bis „achteraus“.

Ich finde es höchst spannend, wie sich in so überschaubarer Zeit Fahrwasser und Watt in so extremer Weise verändern konnten. Hauptgrund dafür ist sicher die ständige Ausbaggerung der Weser, die Verlegung des Hauptfahrwasser, unterstützt durch Leitdämme und Buhnen, die uns heute das Leben so schwer machen. Der Tidenhub hat sich grob verdoppelt seitdem.  Aber die Grenzen sind auch erreicht, sogar schon überschritten, was die Vergewaltigung der Natur angeht: durch die ewigen Baggerungen wird die Fließgeschwindigkeit im Hauptfahrwasser immer größer, in den Prielen immer geringer. Dort sammeln sich riesige Schlickmengen an, die man nicht mehr los wird. Häfen verschlicken gnadenlos, siehe Fedderwardersiel, Wremen, Großensiel, Absersiel und so weiter.

Auf der Elbe haben sie Bogen schon überspannt: Kurz nach der Vollendung der letzten Elbvertiefung, deren Tiefe nur kurze Zeit hielt und auch nur unter ständigem Weiterbaggern, ist jetzt schon teilweise weniger Tiefe vorhanden als vor der Baggerung! Dazu gibt es einen erschreckend realen Fernsehbeitrag, der bei NDR-TV ausgestrahlt wurde und sicher in der Mediathek zu finden ist (wenn ich ihn finde, verlinke ich ihn hier).