Fr. 23.09.22 Schweiburg bis Bremen

Es ist mitten in der Nacht, genauer gesagt 02.00 Uhr und ich sitze im Cockpit und tippe diese Zeilen, während die anderen drei schlafen. Wir haben gerade einige Aufregung hinter uns gebracht:

Am vermeintlich sichersten und einsamsten Ankerplatz der Unterweser geschah eben Abenteuerliches: Wir lagen in der Schweiburg vor Anker und schliefen. Niemand fährt da durch, und wenn, dann Angler bei Tageslicht oder Sportbootfahrer am Wochenende. Da wurden wir durch taghelles Licht und laute Anrufe geweckt, wechselten gemäß Bitte auf Kanal 06 Seefunk und kamen ins Gespräch mit einem „Monster“: der Spülbagger „Akke“ begann um wenige Minuten nach Mitternacht und mit beginnendem ablaufenden Wasser seine Baggerarbeiten in der Schweiburg! Und wir lagen im Weg und mussten bei totaler Finsternis nun weichen! Zwei Boote, miteinander vertäut, suchten erst einen Ankerplatz außerhalb der Baggerreichweite – und fanden ihn auch. Aber da wären wir sehr schnell trockengefallen hoch auf Schlick. Da wir aber mit NW und beginnender Flut wieder Richtung Bremen Anker auf gehen wollen, war das keine Perspektive. Also Boote getrennt, Anker auf und nach Kartenplotter in den Uferbereich der Weser verlegt. Anker hält (noch) und wir haben noch 2,8m Wasser unter dem Kiel. Wenn es so bleibt, dann können wir hier liegen bleiben. Ich bin auf Funk standbye und beobachte den möglichen Schiffsverkehr. Eine App „Ankeralarm“ habe ich scharf geschaltet. Sie gibt tierische Töne von sich, wenn wir mehr als 20m vertreiben sollten. Dort lauert nämlich die nächste Buhne auf uns. Die anderen drei habe ich in die Koje geschickt und höre sie teilweise schnarchen nach dem Schrecken. Ich bin fit und tippe diese Zeilen, esse Schokolade und trinke Wasser… Bei der Aktion sind zwei Gläser vom Tisch gefallen und zersplittert. Schaden inzwischen auch beseitigt, keine Gefahr mehr für die Füße ohne Schuhe…. Wenn es kommt, dann auch richtig…. Jetzt ist es sehr still, man hört das Wasser am Bug plätschern und hat das Gefühl, man könnte bis Bremen oder Bremerhaven hin lauschen…. Die Ankerleuchten brennen (Dank sei der guten alten „Feuerhand“-Sturmlaterne!), die Nerven beruhigen sich wieder. Alles hat gut geklappt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber, sage ich mir, wie toll: die Schweiburg wird wieder gebaggert! Ein Traum! Und nächstes Mal können wir dort noch besser ankern und wir kommen schneller ins geliebte Absersiel….Da nimmt man eine hektische Nacht schon mal in Kauf….auch, wenn es jetzt gleich 02.00 Uhr ist….
PS: Der Plotter zeigt die Unterweser und den Wesertunnel, der sie durchquert in Höhe Dedesdorf/Kleinensiel. Darunter unten in der linken Mitte drei AIS-Signale: Unser „Butt“, das Räumschiff vom AKW im Hafen des AKW und den Spülbagger „Akke“ in der Mündung der Schweiburg. AIS ist eine tolle Sache!!!
Teil 2
Die Sache vor Anker in der Weser außerhalb der Schweiburg lief noch ziemlich aufregend weiter ab. Neben Schlepperwellen, die unser Anker-Päckchen so „packend“ trafen, dass die Schlafenden wie vom Blitz getroffen aus den Kojen schossen und ins Cockpit stürzten, sollte es heute auch noch andere spannende Erlebnisse geben.
Aber erst mal die positiven Dinge vorweg, denn die waren entscheidend: der von mir gewählte Ankerplatz, den ich erstens aus Reviererfahrung und zweitens mithilfe von Echolot und Kartenplotter in stockfinsterer Nach gewählt hatte, war exakt richtig. Das merkte ich spätestens dann, als ich etwas verschlafen zu einem Kontrollblick aus der Koje kroch und entdeckte, dass bereits NW eingetreten war. Eigentlich wollten wir jetzt schon ablegen. Die Sonne ging im Osten auf und im Westen, direkt neben uns, tat sich in nur wenigen Metern Entfernung ein fetter Schlickberg auf. Der Anker hatte bestens gehalten, auch im starken Strom des zweiten Ebb-Drittels.  Das Echloto zeigt noch 3-4 Dezimeter unter dem Kiel und das Oberflächenwasser lief noch ab. Das ist ja eine bekannte Tatsache unter Tidenfahrern, dass es bereits unten aufläuft, während oben noch das Wasser „nachläuft“, also weiter abläuft. Und immer, wenn man eine schlafende Mannschaft zu Blitzaktionen motivieren muss, bewährt sich das alte Mittel: den Diesel anwerfen! Innerhalb einer Minute blickte ich in 6 fragende und zugleich total verschlafene Augen: „Was ist nun schon wieder los???“ Ich gab keine langen Erklärungen, sondern schlug vor = ordnete an, umgehend die Boote zu trennen, die Anker aufzuholen und in Richtung Brake zu motoren. Wie gesprochen, so geschehen. Um den Unmut auf dem anderen Boot (sie hatten kaum noch Lebensmittel und vor allem keinen Kaffee mehr an Bord!) nicht noch stärker aufkeimen zu lassen, schlug ich über Funk vor, in Brake am Stadtanleger anzulegen, um gemeinsam zu frühstücken bei uns an Bord. Das motivierte erstaunlich gut. Und bald war auch das Oberflächenwasser mit uns und die Logge zeigte steigende Fahrt über Grund.

Die „Hanni“ folgt uns treu
Wer den Stadtanleger Brake kennt und dort schon mal mit einem Boot auf der Weserseite festgemacht hat, der weiß, was passiert, wenn etwa ein Schlepper oder ein anderen größeres Schiff die Stelle passieren: Die Klampen der Festmacher werden aufs Höchste beansprucht, das Schiff springt und kracht und vollführt seltsame Sprünge, je nach Qualität der Festmachtechnik. Und prompt fuhr auch ein Schlepper vorbei und die „Hanni“ von Dieter machte zirkusfähige Sprünge und krachte an den Anleger. Reagieren kann man in solchen Momenten kaum, nur hoffen und beten. Und das Kauen nicht vergessen, wenn man gerade frühstückt. Beim „Butt“ verlief alles sehr viel ruhiger, obwohl er direkt neben der „Hanni“ lag. Der Grund liegt in seiner anderen, runden Rumpfform und darin, dass alle Festmacher in etwa gleich flexibel gelegt waren und nicht einer stramm und zwei lockerer. Es ist aber nichts passiert. Nicht wie seinerzeit Abbi und Horst in ihrer „Pax“, bei denen sich die Bordbatterie dabei zerlegte und die Säure durch das Boot floss. Und das gegen Mitternacht damals.
Wir fuhren dann weiter und alles lief flott und ruhig und noch bei gutem Wetter. Eine Oligarchen-Megayacht wurde von zwei Schleppern verlegt nach Bremen (später sahen wir sie wieder) und Klaus und ich beobachteten einen zweiten Seeadler sowie fünf Seehunde auf dem Sand hinter Berne.
Wir erreichten rechtzeitig die Lesum, tankten unsere Tanks mit den genial-guten Dieselersatz „GTL“ voll (läuft runder, startet besser, ist leiser und hat 90 Prozent weniger schlechte Abgase und bildet keine verhasste „Dieselpest“ im Tank) und fuhren dann zur Werft rüber, an der die „Robbe“ mit dem kaputten Dieselmotor noch lag. Ich wollte sie nach Hasenbüren schleppen.
Aber nun die schönste Überraschung: Sie konnte mit eigenem Antrieb und nur durch unsere Notbereitschaft unterstützt diese Fahrt antreten! Etwas Öl nachgefüllt und der von Fach als „tot“ erklärte Dieselmotor sprang an und lief – wie immer. Große Freude und natürlich mehr als 10000 Euro gespart! Jetzt wird er von einem anderen Fachmann, der bessere Einschätzungen verbreitet hatte („ein Bukh geht nicht kaputt von sowas, den schaue ich mir erst mal an!“) gecheckt und optimiert werden.
Also legten wir in Hasenbüren bei den Hanseaten, meinem alten Verein, an und gingen erst mal Schnitzel essen in der Hafenkneipe. Dann nahmen wir Ronald mit zurück zur Werft, wo sein Auto ja noch stand.

Der „Butt“ bei den Hanseaten in Hasenbüren

Klaus und ich fuhren dann in den Grohner Yachthafen und begannen, den „Butt“ wintergerecht abzutakeln. Segel runter und gut falten, Mast legen und aus dem Koker nehmen und nach vorne ziehen, alle Stagen und Wanten abnehmen, alles schön zusammenbinden und schnuckelig ordnen. (Und jetzt kommt ein Satz nur für Werner: Wieder habe ich vergessen, beim Mast-nach-vorne-ziehen die Kabel für Funk und Toplicht vorher zu lösen und prompt musste wieder ein Stecker dran glauben. Aber das wird eine schnelle Reparatur, kaum der Rede wert. Ich werde einfach nicht klüger an dieser Stelle….)

Dann fing es an zu regnen, es pieselt so vor sich hin und wir waren froh, dass alles fertig war. Heute Nacht werden wir schlafen wie die Murmeltiere. Ich selbst habe letzte Nacht nur zwei bis vier Stunden Schlaf bekommen, genau weiß ich es selbst nicht und selbst dann hörte ich im Geiste immer den Ankerwächter jaulen.
Morgen früh geht es dann mit der Tide (nicht wie Dieter, der gern auch mal gegen die Tide fährt…..) nach Ritterhude zurück. Wir werden noch vor der Schleusen-Mittagspause in die Kammer einlaufen.
Die Trainees und Mitsegler jedenfalls müssen erst einmal sehr viele neue Eindrücke und Erfahrungen verdauen und zeigen sich davon beeindruckt, was sie in so kurzer Zeit alles erleben, sehen und verdauen konnten. Das freut mich, denn dazu sind wir ja losgefahren…
Ansonsten war es leider wie so oft: Erst kam der Wind aus N und gegenan. Beim Rückweg dann aus S und wieder gegenan. Und an den restlichen Tagen kam er gar nicht…
Große Freude auf der „Robbe“: der Diesel läuft wieder!
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Kategorisiert in Logbuch

Von Kommodore

Segler seit 1965. Bevorzugt im Wattenmeer unterwegs. 30 Jahre Jugendwart mit Aufbau einer Zugvogel-Flotte und jährlich mehreren Touren von Fedderwardersiel bis zum Ijsselmeer. Seitdem auch als Ausbilder tätig, früher für Jugendliche, heute für Erwachsene. Sportbootführerscheine und Seefunkzeugnisse. Als Funkamateur natürlich auch mit Kurzwelle an Bord vom "Butt", beliebteste Betriebsart ist immer noch die Morsetelegrafie.

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