Und zweitens kommt es anders, als man erstens glaubt! Als ob wir geahnt hätten, wie schlecht das Wetter werden sollte, sind wir nachts um 0130h Anker auf gegangen und durch die Nacht Richtung Ritterhude gefahren!

Ein ungeheures Erlebnis, das sich nur schwer mit einer Tag-Fahrt vergleichen lässt! Und ich will gewiss niemanden ermuntern, einfach mal nachts die Weser runter oder hoch zu fahren! Man muss erstens das Revier aus tausendundeiner Fahrten bei Tage wie seine Hosentasche kennen. Man muss zweitens eine aktuelle (!) elektronische Seekarte auf seinem Plotter haben. Man muss drittens einen AIS-Transponder installiert haben (man sieht andere Schiffe beizeiten und andere sehen das eigene Schiff beizeiten!), der seine Daten in die elektronische Seekarte eingibt. Schließlich muss man ausgeschlafen und fit sein, weil die Nachfahrt höchste Konzentration verlangt (erst recht, wenn man, wie ich in diesem Fall, nicht abgelöst werden kann, immer selbst am Ruder steht und keinen Moment abschweifen darf, weder in Gedanken, noch im Kurs).
Ich musste mich zudem zwingen, fast Mitte Fahrwasser zu navigieren, um den ziemlich vielen unbeleuchteten Fahrwassertonnen sicher aus dem Wege zu gehen. Gerade in den langen Passagen ohne Biegung (zwischen Nordenham und Brake, zwischen Brake und Elsfleth) ist nur jedes zweite Tonnenpaar beleuchtet (!). Es ist gruselig, wenn plötzlich ein paar Meter neben einem so eine Steuerbordtonne vorbeirauscht, nur als Schatten erkennbar, während man mit 7,5 kn flott unterwegs ist. Dann lag noch ein heftiges Wetterleuchten über uns, was der ganzen Tour noch etwas Gespenstisches verlieh. Wäre es schlimmer geworden, hätte ich irgendwo am Sandstrand noch mal den Anker geworfen und abgewartet- brauchte ich aber nicht.

Und so liefen wir sehr früh – immer noch im Dunkel – es mag kurz nach vier Uhr gewesen sein, den Grohner Yachthafen an. Wir fanden einen Liegeplatz gleich hinterm Eingang, der gut beleuchtet war, sodass wir den Mast legen konnten. Eine Schleusung in Ritterhude war als Sondertermin für 0630h bestellt worden und wir fanden dazwischen noch Zeit für ein ausgiebiges Frühstück nach Martin-Art. Es fehlte nur der Brathering. Danach abgelegt und bei sehr hohem HW Richtung Hamme, wo wir zehn Minuten später als angekündigt eintrafen. Tor war offen, Licht war grün, Schleuser saß – an seinem freien Tag – im Betriebshaus und wir waren in wenigen Minuten durch.
Dann kam der Regen, schon in der Schleuse, danach aber heftiger. Deshalb rafften wir nach dem Anlegen beim ESV erst mal nur das Nötigste zusammen und fuhren zu uns nach Hause für ein zweites Frühstück am heimischen Tisch und zu einem langen Klönschnack. Nun, da Martin wieder gen Northeim rollt, fallen mir langsam die Augen zu…
Fazit:
Eine sehr schöne Tour, bei bestem Wetter, bei wenig bis keinem Wind, und wenn, dann aus der falschen Richtung. Die See war ein Ententeich. Martin hat viel erlebt und gelernt und hat daheim sicher viel zu erzählen. Ich habe seit Jahrzehnten wieder mal Nachtfahrten gemacht, diesmal aber mit top elektronischer Unterstützung. Ohne die Technik würde ich das nicht machen, es ist einfach zu gefährlich. Nachts ist die Weser zwar meist leer, aber ein dicker Frachter kam uns heute bei Elsfleth trotzdem entgegen. Das ist schon eine aufregende Sache, wenn man sich mitten im Fahrwasser rumtreiben muss! Ein großes Lob den Richtfeuerlinien übrigens! Die helfen ungemein durch die Nacht! Leicht versetzt fahren, dass sie nicht genau übereinander sind, aber auch nicht zu viel versetzt, weil sonst die Gefahr der dunklen Tonnen größer wird.
Ich würde jederzeit wieder nachts fahren, wenn dadurch ein Liegetag im Regen – wie in diesem Fall – vermieden werden kann oder wenn jemand schnell nach Hause muss. Man muss aber wissen, dass es eine anspruchsvolle und anstrengende Aktion ist. Trotz aller Technik…

Und auch hier wieder ein kleiner Film von der Tour!