Tag 18 Friesland 2022 (18.6.) Delfzijl bis Kukelorum

Nun ist es doch tatsächlich passiert, was nicht passieren sollte: Wir  sind um 0745h ausgelaufen, um bis HW nahe 1000h Emden mit auflaufendem Wasser zu erreichen. Im Hafenkanal Delfzijl checkte ich dann noch am am Plotter die Tide (sehr hübsch grafisch dargestellt für automatisch den Ort, wo wir sind) und stellte erschreckt fest, dass die Tide noch zwei Stunden abläuft!

Da hat sich also jemand in der Spalte vertan, statt HW bei NW Emden geschaut. Gut, kein Problem, zurück zum Anleger (nur 400m), dann aber gleich bei der Bunkerstation festgemacht. Denn wenn um 0900h die nette Hafenmeisterin ihren dienst antritt, können wir gleich noch den Tank mit Diesel wieder auffüllen. Das reicht dann bis ans Ende der Saison, es sei denn, Werner will mit mir die gleiche Tour nochmal machen (er liebt inzwischen Ostfriesland und seine Kanäle ja auch- sie Log von 2021).

Somit habe ich jetzt früh am Samstagmorgen unerwartet Zeit, hier ein paar Zeilen zu tippen. Erst mal ein Foto, wo wir hier liegen: Rechts die Tankstelle, voraus der Kirchturm von Delfzijl:

Man sieht: das Wetter ist gut. Sogar etwas Wind weht, auch noch aus der perfekten Richtung. Das soll auch so bleiben. Und warm soll es wieder werden, allerdings nicht so tierisch heiß wie im Süden der Republik. Gut so. Für uns.  Ich schenke mir jetzt erst noch mal einen Tee ein, wir haben ja Zeit…

Urlaubsstimmung im Hafen

Und dann mache ich schon mal eine Karte mit unserer heutigen Tour… das ist immer etwas Arbeit…. komme wieder…. hier schon mal die Herrnhuter Losung aus der Bibel für den heutigen Tag – zum Nachdenken währenddessen:

Losung vom Samstag, 18.6.2022

Und hier die Reiseroute im Überblick (ganz interessant das Detail ab Emden Seeschleuse, folgt später):

Und hier etwas detailierter für Emden:

Es gibt mehrere Wege, von der Ems in den Ems-Jade-Kanal zu kommen. Der gängigste ist wohl der: Seeschleuse, dann zum Liegeplatz mitten in der City von Emden, am Ratsdelft. Von dort aus über das Falderdelft zur Kesselschleuse, der einzigen Schleuse Europas mit vier Ein-/ Ausgängen! Wählt man den richtigen der vier Ausgänge ist man dann im Ems-Jade-Kanal.  Eine schöne Tour. Aber sie hat einen Nachteil: Nicht jeder will im Ratsdelft liegen, weil es dort ziemlich laut ist, auch nachts.

Schleuse Borssum

Man kann aber mit den Kindern schön ins Otto Hus gehen oder sich alte Schiffe anschauen. Die Kesselschleuse ist echt ein Trumpf auf dieser Route. Aber ein großer Nachteil sind die beiden Brücken zwischen Schleuse und Ratsdelft. Vor allem die Eisenbahnbrücke. Wartezeit, und zwar manchmal ganz schön lange. Und man hat meist schon vor der Seeschleuse lange gewartet. Hier läuft das nämlich in Deutschland nicht so unkompliziert wie in Holland.

Verbindungsschleuse. Wieder mal warten…

Deshalb wählen wir einen anderen Weg, der die Eisenbahnbrücke und das Ratsdelft und die Kesselschleuse (ich kenne sie schon) auslässt: Wir biegen schon im Industriehafen „rechts ab“ und gehen dann durch die Borssumer Schleuse. Die verbindet den Ems-Seitenkanal mit dem Emder Hafen. Mal für Binnenschiffe gebaut, damit die nicht durch den ganzen Hafen tuckern müssen. Danach gleich links ab, an zwei Bootsvereinen vorbei, dann durch die „Verbindungsschleuse“ und dann kommt man automatisch in den Ems-Jade-Kanal. Idyllisch, aber tiefe Brücken. 2,90 Durchfahrtshöhe. Wir müssen also nicht nur den Mast, sondern auch auch den Jütbaum legen. Mit Jütbaum haben wir 3,20m und ohne 2,20m Höhe über Wasserspiegel.

Anleger Kukelorum, mit Blumen begrüßt!

Aber das ist nur ein Bolzen mehr, also keine Sache. Wir werden also im Vorhafen der Seeschleuse Emden den Mast runterlegen, auch den Jütbaum mit runternehmen und können dann, wann immer es der Herrschaft der Schleusenbeamten gefällt, durchschleusen nach binnen. Ich bin gespannt.

Werner und ich haben 2021 den dritten Weg gewählt, der aber von Delfzijl aus ein Umweg ist, sich aber von Ditzum aus anbietet: Durch die „netteste Schleuse Deutschlands“ (Yacht-Test) in Oldersum und dann den Ems-Seitenkanal bis kurz vor die Borssumer Schleuse und dann rechts ab und weiter siehe oben. Auch schön, aber von hier aus eben ein Umweg. Was man auf der Ems weiterfährt muss man danach auf dem Seitenkanal wieder zurück. Man spart sich die Emder Seeschleuse und hat es dafür mal mit netten Schleusern in Oldersum zu tun.

Merke: Schleuser sind nicht grundlegend böse und schlecht. Es gibt auch „nette“….

Teil 2 -wie es heute weiterging. Oder: Deutschland sofort spürbar, schon bei der ersten Schleuse!

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir liegen vor der Schleuse Rahe, genannt „Kukelorum“ und sind fix und alle!

Unser Nachtrastplatz vor Schleuse Kukelorum

Extremer hätte der Unterschied kaum sichtbar werden können zwischen Wasserstraßenverwaltung und – bedienung als bei uns heute! Dazu gleich mehr!

Aber das Positive vorweg:

Und hier ein schöner Eindruck als Film vom Segeltörn über den Dollart!

 

Wir hatten heute den schönsten Segeltörn der ganzen Tour – so weit! Die Butt rauschte bei halbem bis raumem Wind mit Bft 3 nur so über die nicht vorhandenen Wellen der Ems zwischen Delfzijl und Emden! Es standen immer zwischen 4 und 6 Knoten auf der Logge! Der Diesel konnte endlich mal für eine Weile pausieren und den Tank hatten wir ja vorher noch bei der netten Hafenmeisterin füllen lassen.  Diese sonnige Gefühl änderte sich schon in Vorhafen der Schleuse von Emden….

Der Schleusenwärter von Emden Lock / Seeschleuse Emden war gut auf Kanal 13 ansprechbar und beantwortete auch die Fragen aller Wassersportler. So weit, so gut. Aber man kann nicht einfach davon ausgehen, sich anzumelden und dann eingeschleust zu werden – wie in Holland. Da gibt es feste Zeiten und auf die wird man verwiesen. In unserem Fall eine Stunde Wartezeit -aber keine Anlegemöglichkeit! Und wir wollten ja noch eben den Mast legen, was besser geht, wenn keiner steuern muss. Also einfach ran an den Anleger, an dem schon ein wartendes Motorboot lag. Wir hatten den Mast gerade so unten, da hupte es schon von hinten und so ein Fahrgastschiffchen begehrte diesen Liegeplatz. Also abgelegt und Kreise gedreht, bis es mir zu bunt wurde, weil da nämlich noch ein Segelverein war mit einem prima Kopfsteg und viel Platz und niemand, der ihn gerade brauchte. Also angelegt. Da stand dann aber ein Schild, dass genau dies verboten sei und dass man, sobald man auch nur einen Festmacher über den Poller wirft und auf die nächste Schleuse wartet, mit 5 Euro bedacht werden würde. Und ansonsten ginge alles gleich vor Gericht. Was für ein freundlicher Verein! Wir haben trotzdem dort gelegen, ohne dass sich jemand dafür interessiert hätte und haben keinen Sprit verdonnert durch Kreise fahren. Dann ging es durch die Nesserland-Schleuse nach binnen. So weit, so gut, nur der lang überstehene Mast und die Strömung in der Schleuse wollten nicht zueinander passen. Es musste kräftig „korrigiert“ werden, und nicht nur in dieser Schleuse. Insgesamt sollten es deren drei werden: Nach Nesserlandschleuse dann die vom Emder Industriehafen ausgehende Borssumer Schleuse und dann noch durch die offiziell so genannte Verbindungsschleuse. Und danach wäre man dann im Ems-Jade-Kanal. Es sei denn, man hätte den Weg über die Kesselschleuse gewählt, welche aber rund ist und mit überstehendem Mast nur als GAU zu bezeichnen wäre.

Die Borssumer Schleuse. Ich seufze tief. Per Funk nicht erreichbar – so in allen offiziellen Publikationen jüngsten Datums. Dafür eine Festnetznummer. Angerufen- und klack klack klack und dann eine Stimme, ich könne jetzt was aufs Mobil(!)telefon,bzw die Mailbox sprechen. Offiiell hatte Borssum von 13-14 Uhr Mittagspause. Es war auch keine Seele auf dem Gelände zu sehen und schon gar kein Anleger, oder was man dafür missbrauchen konnte. Also Kreise gedreht. Auch ein polnischer Baggerleichter mochte uns nicht für 20 Minuten an seiner Seite wissen. Dann mal dicht ran an die Schleuse, Fernglas gezückt und gelesen: Kanal 13! Also doch Funk, allerdings derselbe Kanal wie die Nesserlandschleuse. Seltsam. Ich gerufen, und es meldete sich erstaunlicherweise „Emden Ports“ zurück. Ja, hmm, Borssum zu schleusen sein so eine Sache, der Kollege sei krank und hmmm, er schicke jetzt mal eben einen anderen Kollegen dahin. Könnte aber dauern… Und es dauerte. Vor allem, nachdem der „Kollege“ schon eingetroffen war. Scheinbar war er lange nicht auf diesem Schleusenmodell tätig gewesen. Anders als in Holland keine Schleusenlichter, nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit gingen dann die Tore auf und wir liefen ein und dann drei Meter abwärts. Immer schön an den Mast denken….

Ich rief dann noch mal Emden Ports und fragte den Herrn dort, ob der auf der Verbindungsschleuse ein Schleuser sei oder wie das dort zu handhaben sei?! Die sei automatisch, antwortete er, Selbstbetrieb. Prima, dachte ich, das kriegen wir hin! Aber Pustekuchen. Als wir bald darauf diese Verbindungsschleuse erreichten war da auch nur eine Telefonnummer im Glaskasten. Es meldete sich der Schleuser der Kesselschleuse. Der wollte das nun aus der Ferne bedienen. Klappte auch, dauerte aber, und es ging wieder gewaltig bergauf. Danach noch eine Klappbrücke, aber danach hatte ich auch schon gefragt. Macht auch die Kesselschleuse, „der Kollege“, antwortete der nette Kessel-Schleuser. 3 Schleusen= 3 Stunden! Aurich zu erreichen konnten wir uns nun abschminken. Es ging dann aber munter weiter mit den Zuständigkeiten: schon bei der übernächsten Brücke kam uns ein Schiff durch die geöffnete und ferngesteuerte Brücke entgegen, und als ich gerade Gas geben wollte, und fest von Grün ausging, ging die Brücke wieder zu. Wir waren 50m davor!  Dann nichts. Als immer noch nichts passierte habe ich den Kessel-Schleuser wieder angerufen. Der sagte, das mache sein „Kollege“ und er wollte ihm mal eben Bescheid sagen. Hat er wohl auch, denn irgendwann ging die Brücke wieder hoch und wir waren eine Brücke weiter. Aber nur eine. Dann ein wilder Wechsel aus „Brücke offen, wenn wir kommen“ und „Brücke dicht und niemand weiß Bescheid“. Eine Brücke fehlte komplett. Kaputt und abgebaut. Gut für uns, wir konnten durch, aber die Einwohner nicht mehr über den Kanal. Keine offiziellen oder inoffiziellen Informationen in den gängigen maritimen Publikationen, und wenn da was drin steht, ist es oft falsch – sie Borssumer Schleuse. Jetzt liegen wir vor Kukelorum, der Schleuse Rahe, wie sie offiziell heißt und es geht weiter. Feierabend. Gut, muss ein. Morgen dann eben die Schleuse und noch zwei Brücken bis Aurich.

Dafür hat sich eben ein nettes Paar mit Hund zu uns gesellt und wir haben eine Stunde lang geklönt, über Schleusen und Hunde, Beamte und Schulen, Angeln und darüber, dass Kukelorum nun – gottlob -wieder eine nette Kneipe beinhaltet. So wie früher eben. Wir liegen ruhig und an einem schönen Anleger, was es auch nicht längst bei jeder Brücke gibt, wo wir auch hätten aus Feierabendgründen zu liegen kommen können. Ist schon gut so. Aber der Schock von Holland nach Deutschland hätte stärker kaum ausfallen können. Wir sind hier doch in vielen Dingen weit hinterm Mond, vor allem digital, und unser angebliches Organisationstalent scheint sich auch nicht überall vererbt zu haben. In Holland hätte ich jetzt meine Angel-App rausgeholt, GPS hätte der App gezeigt, wo ich bin, und die App mir darauf mitgeteilt, dass ich da angeln darf. Wenn ich hier eine Angel in den Kanal ausbringen, dann kann ich schnell zum Wilddieb werden…und bis ich den finde, der mir einen Tagesschein verkauft, bin ich schon weitergezogen.

Irgendwas wollte ich noch erzählen… jetzt ist es weg… kommt es wieder, werde ich es nachholen. So, nun noch ein paar Fotos, damit Ihr nicht in dieser Bleiwüste erstickt. Und morgen früh geht’s weiter. Wenn der Beamte seinen Dienst antritt…

Nachtrag: Ein Spukphänomen

Hah, es ist mir wieder eingefallen, was ich erzählen wollte…. nämlich dies:

Gestern Abend quietsche, besser ächzste in Delfzijl irgendwie der Steg, wenn etwas Bewegung im Wasser war. Komisch nur, dass er das nicht tat, wenn ich ihn betrat. Unerklärliches Phänomen. Dann beim Segeln über den Dollart heute ächzte bei jeder Böe und kleinen Wellen etwas im Achterschiff tief unten. Aber das Ruder zeigte keine Schwächen. Ein Klang, wie wenn eine Böe ins Segel eines alten Holzschiffes einstieg, das dann die Last abfing unter Ächzen, nur halt mit seltsamem Quietschen dabei. Wir schauten besorgt ins Heck, so weit der Blick irgend vorzudringen konnte. Nichts, was auffiel. Dann schworen wir uns, bald nach der Schleusung anzulegen und den Boden hinten hochzunehmen und die Ursache näher einzukreisen. Dazu kam es nicht mehr.

Denn während wir noch auf die Nesserlandschleuse warteten (am verbotenen Steg), hatte ich die lösende Idee: Es war die Badeleiter, die noch immer runtergeklappt im Wasser hing seit meinem Bade im Naturschutzgebiet „Alde Feenen“! Und mit jeder Welle bewegte sie sich und quietschte im Scharnier! Wir hatten sie seitdem „hinterhergeschleppt“ und es nicht bemerkt. Piekhaken genommen, hochgeholt, gesichert -und der Spuk war vorbei! Wenn es doch nur immer so einfache Lösungen geben würde…

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Logbuch

Von Kommodore

Segler seit 1965. Bevorzugt im Wattenmeer unterwegs. 30 Jahre Jugendwart mit Aufbau einer Zugvogel-Flotte und jährlich mehreren Touren von Fedderwardersiel bis zum Ijsselmeer. Seitdem auch als Ausbilder tätig, früher für Jugendliche, heute für Erwachsene. Sportbootführerscheine und Seefunkzeugnisse. Als Funkamateur natürlich auch mit Kurzwelle an Bord vom "Butt", beliebteste Betriebsart ist immer noch die Morsetelegrafie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert