Fettsiel nach Grohn? Das schafft man doch gar nicht mit einer Tide?! – so werden die alten Hasen der Wattensegelei einwenden. Und sie haben Recht!
Aber ich schreibe diese Zeilen ja auch erst mal aus Nordenham/ Großensiel, wohin man es gerade so mit einer Tide schaffen kann (die letzte Meile leicht gegenan).
Aber das ist das Schöne an den späten Junitagen: es sind die längsten des Jahres und man kann zwei Tiden nutzen. Wir haben heute um 0600h in Fettsiel abgelegt und waren um 0930h in Großensiel. Schwimmt man in Fettsiel am Steg auf, dann kommt man auch aus dem Hafen über den Betondrempel (ein furchtbares Ding für die, die es nicht schaffen!) und auch locker über das Wattenhoch. Man muss das erste Stück (im neu gebaggerten Fahrwasser) vor Fettsiel zwar gegen die Tide orgeln, hat aber dann im Mittelpriel die Tide stramm mit sich. Bis zum „Knick“ (schaut mal auf das Törnbild, was ich nachher noch erstelle) im Prickenweg, gleich nach dem Wattenhoch.


Von dort muss man dann nach dem Zick noch ein Zack machen Richtung Weserfahrwasser und da strömt es einem dann kräftig wieder entgegen. Im Weserfahrwasser ist man dann schnell wie der auf 7 Knoten mit der letzten Flut. Locker schafft man es bis Bremerhaven, dann kommt Stauwasser und wenn man nicht trödelt, dann klappt es eben auch bis Großensiel. Hier ist erstmal Pause für die Zeit der Ebbe. Ab halb vier dreht das Wasser dann wieder und wir nutzen die zweite Tide, voraussichtlich bis zum Grohner Yachthafen. Dort Schnitzel, Mastlegen und Nachtruhe, denn wir sind ja früh aufgestanden. Vielleicht auch Mastlegen, Schnitzel und dann Nachtruhe, mal sehen.
Was war besonders am Aufenthalt in Fettsiel? Zwei Dinge:
- Noch weniger Boote an den Stegen als die letzten Jahre. Man konnte sich viele Plätze aussuchen. Dafür massiv mehr Wohnmobile auf den Stellplätzen. Was vor zwei, drei Jahren noch mit drei, vier Womos begann, hat sich jetzt zur dichtgestellten Dreierreihe entwickelt! Man trifft auf dem Klo keine Segler mehr, sondern rheinisch-westphälische Womo-Reiter. Es wird jedes Jahr schlimmer. Dass der Verein nicht attraktiv genug für Wassersportler (mehr) ist – daran könnte man arbeiten. Alle Vereine haben zu Corona neue Mitglieder aufgenommen, die Stege sind belegt. Nur beim BYC leider nicht. Warum auch immer… Es ist jedenfalls schade.
- Drei Boote kamen gestern rein. Wir mit dem Butt und zwei Segelboote mit Einhandseglern. Echte Typen die beiden, beide mit Hosen mit Knieverstärkungen. Einer weit über 80 Jahre, der andere hat noch ein paar Jahre bis zur Rente. Beide beherrschen die Seemannschaft, legen alleine an und ab, haben viel zu erzählen, wo sie waren und wohin sie wollen. Der eine aus Hamburg, der andere aus Bremerhaven. Beide haben sie Boote mit wenig Tiefgang und lieben das Watt. Meine Augen leuchten! Und der aus Bremerhaven ist heute mit uns gestartet um sechse in der Früh. Dann hat er die Abkürzung über das hohe Watt genommen und kam er kurz vor Langlütjen II wieder ins Weserfahrwasser! Gewaltig abgekürzt und immer genug Wasser unterm Kielschwert. Mit Dorit wollte ich das nicht nachmachen, zumal wir auch 90cm Tiefgang haben, das ist die Hälfte mehr, es hätte aber gereicht, viel gespart und auch das Wellengewusel vor der Columbuskajre uns größtenteils erspart. Mit Werner werde ich es mal testen…. Das geht auch mit 90cm Tiefgang! Ich bin also angefixt…
So, jetzt machen wir Pause, es wird auch sehr heiß, der Wind war heute zwar aus der passenden Richtung, aber leider viieeel zu schwach mit Bft 0-1 >(in Böen). Ich stelle noch ein paar Fotos rein (viele habe ich nicht gemacht so früh am Morgen mit halbgeschlossenen Augen….) und dann lege ich erst mal die Beine hoch. In der Kajüte ist es erstaunlich kühl gegenüber dem Rest des Bootes. Also, zweiter Teil dann spät am Abend…. Gehabt Euch wohl und erschwitzt nicht.
Teil 2: Großensiel bis Grohn
Auslaufen Großensiel mit erstem Wasser um 1530h, fest in Grohn um1915h.
Warum erst jetzt der Bericht? Weil ich klassischerweise erst in der Kneipe ein Schnitzel essen musste. Ging auch nicht ganz glatt, weil die Hafenkneipe heute Ruhetag hat und die Gaststätte gegenüber mit dem schönen Namen „Unnern Barg“ gnadenlos voll war und viel zu wenig Personal sich da durchkämpfte. Am Ende aber bekam ich ein wunderbares „Jägerschnitzel“ mit frischen Pilzen, nicht aus der Friteuse, sondern richtig gebacken, und es war wirklich lecker und des Wartens wert.
Die Tour an sich lief flüssig und in vollem Sonnenschein mit leichten achterlichen Winden. Anfangs ließen wir die Genua mitlaufen, aber dann reichte der Wind dafür nicht mehr. Kaum Sportbootverkehr auf der Unterweser, dafür viele Binnenschiffe. Mir steckt das frühe Aufstehen noch in den Knochen, ich war quasi seit 0400h wach, weil das erste Wasser am Schiff bestimmte Laute verursacht, die ich sofort zuordne im Halbschlaf. Ich brauche da keinen Wecker. Die Hitze des Tages hat dann auch nicht viel zur Erholung beitragen können.
Eben, auf dem Rückweg vom Schnitzel

zum Boot (wir liegen beim WVFarge, da kenne ich Leute aus meinen Kursen und die sind auch im Freihafenabkommen wie der ESV, es kostet also keine Liegegebühr) hörte ich plötzlich aus der untergehenden Sonne meinen Namen brüllen- quer über den Hafen. An der Stimme (!) erkannte ich Karl-Heinz, meinen Stegnachbarn und Kameraden vom ESV. Er geht gerade auf Tour und wir kehren heim.

Von unterwegs hatte ich schon Kontakt mit meinem Lieblingsschleuser von Ritterhude aufgenommen und für 0900h morgen eine Schleusng erbeten. Die Antwort kam prompt: Tor wird offen stehen, Kollege, der Dienst hat, weiß Bescheid! So muss das laufen…
So, liebe im Geiste Mitreisende, dies war der vorletzte Logbucheintrag! Morgen kommt der Rest und das Resumee. Dann habe ich Unmengen von Fotos und Filmen zu bearbeiten (ich hatte drei Kameras plus Handy dabei!) und werde sicher hier auch was einstellen. Ich habe durchgehend kurze Sequenzen mit meiner ActionCam gefilmt, die dann zu einem Gesamtfilm zusammengeschnitten und bearbeiten werden. Da freue ich mich schon drauf.
Noch mehr freue ich mich auf Besuch von Kinder und Enkel am Wochenende, wo ich dem interessierten Enkel mal die Funktionsweise der Bordtoilette von A-Z erklären und ihn alle Knöpfe drücken lassen kann. Dann werden auch Poffis an Bord gebacken. Die Frage ist, was wir zuerst machen: die Bordtoilette oder die Poffis?? Was für ein Wochenende….
Und Montag wartet dann wieder der Museums-Seenotkreuzer und die Seenotrentner-Kameraden auf mich. Manche müssen Weiß pönen, Horst und ich machen auf Wunsch des nautischen Geschäftsführers die grüne Hölle bei der Ausfahrt etwas lichter, damit keine Radfahrer überfahren werden bei der Ausfahrt.

Es wächst halt alles schnell dicht, wenn sich keiner kümmert. Und wenn man viele Fragen stellt (z.B. bei Behörden) bekommt man viele, meist komplizierte Antworten. Für solche Sachen stehen wir Seenotrentner immer bereit… Wir müssen auch noch die Mauer unter der Kratschke freischneiden, weil ein „richtiger“ Sprayer dort Wellen draufmalen wird. Dann sieht das von der anderen Weserseit so aus, als würde unsere Kratschke schwimmen…. Toll! Und weil wir das machen und kein Unternehmen, deshalb können die Spenden (auch Eure!!!) gezielt bei der Seenotrettung eingesetzt werden.
Ich vergaß: Samstag fahre ich nach Hasenbüren zu Ronald und Bernd, die sich auch eine LM24 gekauft haben. Die braucht ein neues Funkkabel samt Anschlüssen. Mein Job. Danach geht sie vielleicht schon zu Wasser, und weil die beiden Fahranfänger sind, werde ich sie wohl in die Box manövrieren. Es ist immer was los und es gibt immer tolle neue Sachen…..
So, noch ein paar Fotos von heute (viele sind es nicht) und dann noch eine Pfeife und dann in die Koje! Letzte Nacht hatten wir beim Trockenfallen leichte Schräglage -zu meinem Nachteil. Ich rollte leicht aus meiner Koje hinaus. Aber da der Deckel unter meiner Koje ins Loch gesagt war, ergab sich eine Vertiefung, die mich am Rausrollen hinderte. Genial. So konnte ich doch noch etwas schlafen….
Euch auch eine gute Nacht!

Nun muss sich die Eignerin zu guter letzt doch auch mal zu Wort melden.
Im Großen und Ganzen kann ich die Ausführungen des Skippers bestätigen. Aber: warum will er mit mir nicht den WattenWeg fahren? Die Antwort blieb er schuldig…
Ich möchte den heutigen Bericht um ein einschneidendes Erlebnis ergänzen. Das Mittagessen wurde heute in Großensiel wegen der Hitze in der Kajüte ein genommen und nicht im Cockpit. Draußen tummelte sich eine Gruppe von Paddlern aus Wertheim, und die machten an unserem Steg fest. Plötzlich blieben mir jedoch die Spaghetti im Halse stecken: ich sah durch die Dach Luke, wie sich in 2 m Entfernung eine Hand in die Hose steckte und jemand begann, auf uns runter zu pinkeln. Was ich am allerwenigsten mag, ist, beim Mittagessen ein männliches Genital zu erblicken, und erst recht kein fremdes…
Der Skipper am Tisch war mächtig erschrocken, als ich meinem Protest lautstark Ausdruck verlieh, er hatte von der Aktion nichts mitbekommen.
Trotzdem: es war eine schöne Urlaubstour!