oder: Warum ich lieber eine fette Kamera mit leichtem Objektiv benutze als eine kleine Kamera mit fettem Objektiv
Nun, was ist das nun wieder für ein Thema, das ihn umtreibt – mögen sich manche fragen. Und die Frage ist berechtigt. Die meisten Menschen fotografieren nämlich garnicht, sie „knipsen“. Heute meist mit dem Handy und das meist auch noch vertikal, wo der Schöpfer uns doch die Augen horizontal ins Gesicht gesetzt hat, weswegen ja auch die Kinoleinwände immer breiter und nicht höher werden. Zu meiner Rechtfertigung muss ich erwähnen, dass ich schon von Jugend an gern fotografiert habe und früher viele Stunden in Dunkelkammern zugebracht habe, damals zu analogen Zeit, als der Entwickler noch so richtig stank und der Fixierer einem die Klamotten „fixieren“ konnte, ähnlich wie Batteriesäure. Das habe ich wohl von meinem Vater und der von seinem Schwiegervater, wobei das da mit der Vererbung etwas schwierig wird. Vater und Opa waren jedenfalls fotografische Technikfreaks und hatte tolle Kameras, von der Platte über die Box bis zur Voigtländer-Kleinbildkamera. Und ich war schon bestens vertraut mit Blende 8 und 1/60 Sekunde, konnte Entfernungen schnell in Metern und Zentimetern einschätzen und im Sucher die Parallaxe berücksichtigen. Kenner merken spätestens jetzt: er kennt sich aus!

Und irgendwann kam der große Umschwung von analogem Film auf digitale Sensoren, Prozessoren und Speicher. Und wie beim Computer gab es rasante Entwicklungen im Modus von „heute gekauft, morgen schon veraltet“. Also Adé Exa und Exakta (mit Blick in den Schachtsucher von oben) und Umstieg auf Nikon – und viele andere im Wechsel. Vor allem aber mit der Zeit von kleinen und kleinsten Sensorenformaten auf „Vollformat“, was dem ehemaligen 24x36mm Filmformat der Analogen heute in der Sensorgröße entspricht.
Jetzt mal für Nicht-Fotografen und – Techniker:
Wie „scharf“ ein Foto wird, liegt nicht (allein) an den Megapixeln des Sensors. Zwar zeichnen mehr Megapixel auch mehr Einzelheiten auf, aber was machen sie anschließend damit, wenn die gespeichert werden sollen? Bei einem kleinen Sensor, wie etwa in einem Smartphone oder irgendeiner Consumer-Kamera, müssen sich dann (zu) viele Pixel den kleinen Platz auf dem winzigen Sensor teilen. Das führt nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Pixeln ins Rauschen. Also, Fotos, die bei wenig Licht geschossen wurden, „rauschen“ dann mächtig. Sie werden unscharf und sehen einfach nicht mehr attraktiv aus. Mit heutiger Software, vor allem solcher mit „AI“, kann man davon wieder einiges „entrauschen“. Meist gehen damit aber auch die sonstigen Feinheiten des Fotos verloren. Abhilfe schafft ein großer Sensor (besagtes Vollformat) mit relativ wenig Megapixeln beim Sensor. Also etwa 12 MP bei Vollformat (meine Nikon D700) oder 16 MP bei Vollformat (meine Nikon Df). Wunderbare „low light pictures“ sind dann möglich, weil auch bei hohen ISO-Werten (hohe Empfindlichkeit, die eingestellt wird) erst sehr spät ein Bildrauschen beginnt.
Inzwischen werden aber auch die Prozessoren immer besser und man kann heute auch bei weit höheren Pixelzahlen rauscharme Fotos generieren. Mit Hilfe von Software und AI. Aber immer noch bleibt eine Vollformatkamera allen anderen Kameras mit kleineren Sensoren deutlich überlegen, wenn es um Fotos bei offener Blende geht. Der Nachteil aber – und es gibt immer einen Nachteil – ist, dass Objektive für Vollformat eben deutlich größer und schwerer sein müssen als die für kleinere Sensoren. Ein großer Sensor will auch viel Licht sehen. Dafür braucht es große Linsen und für gute Objektiveigentschaften braucht es auch viele Linsen und die brauchen halt ein entsprechendes Außenmaß und Gewicht.
Derzeit laufen die Dinge aber auseinander: die Bodys (Kameragehäuse) werden immer kleiner und intelligenter und leistungsfähiger. Die Objektive aber kann man nicht schrumpfen. Da ist die Physik davor aus o.g. Gründen. Das wäre so, als wollte man mit einem kraftvollen Stereoverstärker einen Orchesterklang abbilden, wenn man nur zwei Regallautsprecher dranhängt. Auch Klang braucht Volumen. Wie ein Motor Hubraum. Jedenfalls, wenn’s Spaß machen soll.
Ich hatte also aus Begeisterung alles Nikon-Zeug verkauft und war dem Fehler aufgesessen, man müsse auch mal eine topmoderne Kamera haben mit allen Gimmicks, die da so zu haben sind. Also umgestellt auf Sony. A7 Mark II. Natürlich Vollformat. und 24 Megapixel. Aber im kleinen Body. Und- wie hoffentlich nun jeder verstanden hat – mit fettem Objektiv. Mein Stativkopf war überfordert und kippte immer nach vorn weg. Meine Hände irgendwie auch. Hielt ich bei Nikon die Kamera am Gehäuse fest, so hielt ich sie nun am Objektiv.
Aus Kamera mit Objektiv war Objektiv mit Kamera geworden.
Das war nicht nur schlecht zu halten, es widerspricht auch total meiner Vorstellung von einer Kamera. In meinem Alter darf man solche Haltung schon mal haben, denke ich. Und Haltung ist ja auch wichtig. Generell, mental, philosophisch und eben auch bei der Kamera. Denn da werden ganz schöne Gewichte bewegt, aber nicht immer richtig tariert. Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin rückfällig geworden! Meine schöne Sony-Ausrüstung habe ich gegen Nikon getauscht. Die D700 als unkaputtbare Kamera mit wenig Pixeln, aber tollen Bildern! Unübertroffen bis heute, was der vergleichsweise alte Sensor abliefert!
Und eine neuere, auf „alt“ gestylte Nikon, die „Df“. Statt tausend Menuepunkten ordentliche viele und fette Einstellräder und Knöpfe und Schalter. Hardware, die intelligente Software ansteuert. 16 Megapixel. Genug, um auch mal ein Poster ausdrucken zu können – was ich nie mache. Und, was nur Nikon hat und kann: Durch Jahrzehnte hindurch, quasi seit meiner Konfirmation, haben sie denselben Objektivanschluss behalten! Ich kann das neue Gehäuse also mit alten Objektiven bestücken! Erstens waren die noch richtig gut in Japan gefertigt und man hat an nichts damals daran gespart. Und sie sind auch heute noch knackscharf. Zweitens gibt es sie heute teilweise für „Appel und Ei“ zu kaufen. Ein Spitzenobjektiv für 50 Euro! Für ein vergleichbares neues Sony oder Nikkor müsste ich rund einen Tausender ausgeben. Die haben dann zwar auch noch ein paar elektronische Gimmicks, machen aber auch keine schärferen Fotos.
Ich bin also kuriert. Mal sehen, für wie lange. Ich bin auch von der spiegellosen Vollformatkamera (SLR) wieder auf die Spiegelreflex (DSLR) zurückgekehrt, obwohl man gut ohne Spiegel auskommen kann. Aber der Batterieverbrauch bei den SLRs, wo immer das Display leuchten muss, verbunden mit den kleinen Akkus für den kleinen Body, ist so hoch, dass man ständig mit zwei, drei Akkus umherlaufen muss, weil der erste schon leer ist, wenn man gerade ein paar Schnappschüsse auf dem Speichermedium hat. Bei Nikon kann man statt 200 Aufnahmen 1200 Aufnahmen machen mit einer Akkuladung! Und mit Batteriegriff sogar doppelt so viele. Wer braucht da noch ein Ladegerät oder einen Zweit- und Drittakku?
So, Freunde, ich musste es mal loswerden und manche, wie Bestmann Werner, werden sich schon gefragt haben, warum sie mich bei jeder Tour mit einer anderen Kamera hantieren sehen, mitunter sogar mit zweien. Das ist der Grund. Technik testen. Das mag ich. Das mochte ich schon immer. Von Großvater und Vater geerbt. Sitzt in den Genen. Ich kann nichts dafür…
