Probleme mit der Prüfungsangst

Es müssen längst Hunderte sein, die ich mit meinen Kursen auf die Prüfungen für Sportbootführerscheine und Seefunkzeugnisse vorbereitet habe. Da habe ich einiges erlebt, speziell im Hinblick auf die Praktische Prüfung unter Motor samt der dazugehörigen Knotenprüfung.

Vorweg eines mal ganz klar: Viel hängt am Prüfer, an seinem Auftritt, wenn er sich vorstellt und an seiner Art, mit den Kandidaten umzugehen. Gerade Menschen mit Prüfungsängsten reagieren hier extrem. Und dann tritt das ein, was man einfachsten mit „Blockade“ beschreiben könnte. Und wenn der Prüfer nicht dazu beitragen kann, diese Blockade zu lockern, dann muss er die Kandidaten durchfallen lassen. Sie haben ja entweder nichts oder etwas Falsches abgeliefert.

Es hängt aber auch viel am Ausbilder, wie er nämlich seine Kandidaten vorbereitet, mit ihnen die Knoten übt und alle Fahrmanöver bespricht, vorfährt und dann fahren lässt. Alles, was man richtig abgeliefert hat im Vorfeld, das gibt Sicherheit für die Prüfung.

Und trotzdem – und da werden mir die Prüfer gewiss zustimmen –  gerät man immer wieder an Grenzfälle von Prüfungsangst. Da sind dann selbst der freundlichste Prüfer und die intensivste Ausbildung keine Garanten dafür, dass die geforderte Mindestleistung im Prüfungsmoment auch abgeliefert werden wird. Und das liegt selten bis nie daran, dass dieser aufgeregte Prüfling zu wenig wüsste oder zu wenig geübt hätte. Es liegt schlicht daran, dass er in diesem Moment sein Wissen nicht abgreifen, darstellen und abliefern kann. Blockade eben. Da passiert in unserem Gehirn etwas Ähnliches wie in den Blackboxen unserer Autoelektronik oder beim Bootsmotor: plötzlich ist „Feierabend“. Und alle Weisheiten früherer Generationen, dass man nur mal eben den Zündfunken prüfen oder den Vergaser checken müsse, um wieder in Gang zu kommen, helfen nicht mehr. An einem modernen Motor geht das eben nicht „mal eben“ und ohne Prüfgerät mit aktueller Software. Und beim Menschen ist das zumindest vergleichbar ähnlich.

Will sagen: in ganz krassen Fällen sind Ausbilder und Prüfer machtlos und es kann vielleicht nur noch ärztliche oder psychologische Hilfe Besserung bewirken. Viele Menschen mit Prüfungsangst habe ich erlebt. Das ist völlig normal. Aber die legt sich meist sehr schnell, wenn der Prüfer mal einen Witz gemacht hat oder der erste Knoten passte und das Ablegemanöver dann doch entspannt hinter einem liegt. Das wissen auch die Prüfer. Und deshalb kann man selbst verbockte Fahrmanöver immer noch mit einem zweiten (und oft sogar dritten) Anlauf wiederholen und wurde sogar noch auf den Fehler dabei aufmerksam gemacht (z.B. häufig das vergessene Auskuppeln beim MOB-Manöver).

Bei extremen Fällen von Prüfungsangst hilft das aber überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Blockade verstärkt sich – bis hin zur Unfähigkeit, überhaupt noch aus eigener Kraft den Anleger zerstörungsfrei zu erreichen. Das ist tragisch, zum Glück aber sehr selten. Unsere Hilfen sind da am Ende als Laien. Auch forciertes weiteres Training hilft nicht – obwohl viele es glauben. Kommt dann wieder die Prüfungssituation in Gestalt des Prüfers an Bord, dann kann wieder alles auf „Block“ gehen und man ist keinen Schritt weiter.

Eine schwierige Kiste und mir tun vor allem die Kandidaten leid. Die Prüfer aber auch, denn die geben sich viel Mühe. Von Ausnahmen (meist früher) mal abgesehen. Und ich muss auch vorsichtig sein mit Hinweisen darauf, vielleicht doch mal einen Arzt oder Psychologen aufzusuchen, weil manche sich dann für „verrückt“ erklärt empfinden und das als Anmaßung empfinden könnten. Aber wo sonst gäbe es eine erfolgversprechende Lösung? Es wird ja, so meine Vermutung, nicht nur bei Sportbootführerscheinprüfungen diese Situation im Leben dieser Menschen geben, sondern an vielen Orten.

Letzlich bleibe ich ratlos und tröste mich damit, dass die wirklich krassen Fälle ja äußerst selten sind. Immerhin. Und ich wünsche mir, denen besser helfen zu können, was aber wohl ein (frommer) Wunsch bleiben dürfte…