Dralle Deerns Logbuch

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Vergangen, vergessen, vorüber?

Über den Sittenverfall im Wassersport

Wir Deutschen pflegen ja seit dem Zweiten Weltkrieg einen eher schüchternen, unauffälligen Umgang mit unserer Nationalflagge. In meiner Jugend pflegte man sogar gewalttätig zu demonstrieren, wenn irgendwo öffentlich Rekruten der Bundeswehr vereidigt wurden und dabei "Flagge gezeigt" wurde. Fuhren wir damals mit unseren Kindern ins Ferienhaus nach Dänemark, dann wehte dort überall und fröhlich der "Dannebrog", die dänische Nationalflagge. Und in Holland die holländische.
Flagge zu zeigen wurde erst durch die Fußballweltmeisterschaft wieder salonfähig, wollte man nicht von "modernen" Nachbarn oder Freunden als "Nationalist" gebrandmarkt werden. Also zog man lieber die Flagge von Werder Bremen hoch oder vom HSV -je nach persönlicher Neigung.
Nun war es aber schon immer so - und zwar international- dass ein Schiff am Heck seine Nationalflagge zu setzen habe. Beim Sportboot von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang - wenn jemand an Bord war. Dort wurde man nicht als "Nationalist" oder "Rechter" verdächtigt. Allerdings kenne ich auch ein paar Wassersportgesinnte, die umgehend auf die Europaflagge umstiegen -mit einer kleinen deutschen Flagge oben in der Ecke. Die YACHT wurde nicht müde darauf hinzuweisen, dass diese Form nicht der Gesetzeslage entspräche. Ob die WaschPo aber jemals jemanden mit Europa-Flagge zur Kasse gebeten hat entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Jedenfalls wurde wir Jungspunte im Segelverein schon früh auf ordentliche Flaggenführung eingespurt. Und man achtete peinlich darauf, dass mit Sonnenuntergang der "Adenauer" eingeholt wurde. Fuhr jemand heim in seine vier gemauerten Wände und hatte das vergessen - was in seltenen Fällen auch mal vorkam - dann galt eine Sitte, die den Jugendlichen mal eine feine Chance auf "Mehrwertgewinnung" gab: Wir enterten das Schiff, und mussten uns dann für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden: Entweder banden wir sie ans Großfall und zogen sie, ohne das andere Ende zu belegen, in den Masttopp hoch. Der Eigner musste dann entweder in den Mast klettern oder den Mast legen - oder aber einen Jugendlich dafür gewinnen (natürlich gegen "Mehrwert"), den Mast hochzuklettern. Die andere Variante war simpler: Man behielt den Adenauer als Pfand und der Eigner konnte ihn gegen eine Cola oder Sinalco wieder auslösen. Auf diese Weise bin ich in viele Masten und an viele Sinalcos gekommen in meinen jungen Jahren. Da herrschten in den Vereinen noch Zucht und Ordnung und wer Mitglied werden wollte, der musste zwei Bürgen aus den Vereinsmitgliedern aufweisen und sich mindestens ein Jahr bei schwerstem Arbeitsdienst mit seinen Fähigkeiten und seiner Sozialverträglichkeit beweisen. Und, das war damals durchaus auch üblich: mit seiner Standfestigkeit in alkoholischen Belangen. Denn damals wurde das Bier kistenweise an Bord gebracht und in der Bilge gebunkert, später dann in Aludosen ohne Zahl. Ich sehe noch die Vereinsmitglieder am Freitagabend die ganzen Paletten zum Boot schleppen und rechnete im Stillen die Promille zusammen. Eh das erste Segel gehisst wurde, hatte die Besatzung schon den einen oder anderen "Begrüßungsschluck" intus, je nachdem, wie weit hinten man am Steg lag. Oder das Ablegebier, von dem "Rasmus" auch immer einen Schluck abbekam. Mit "christlicher" Seefahrt hatte das alles wenig zu tun. Eher mit Aberglauben und einer Selbstrechtfertigung zu fortgesetztem Alkoholgenuss. Früher wurde einerseits viel gesoffen, aber es wurde die "Fahne hochgehalten", also man achtete auf Traditionen und Sitten.
Ich weiß noch, was es für einen Aufstand im Verein gab, als ich mal aus Versehen im Frühjahr den Vereinsstander unter der Steuerbordsaling gehisst hatte. Natürlich gehört dort die Gastlandflagge hin und der eigene Stander nach Backbord. Aber kommt ja halt mal vor, sogar ohne Alkoholgenuss.
Oder als unsere Kinder mal ihre Piratenflagge unter den Vereinsstander gehisst hatten. Da wäre ich fast zumVorstand zitiert worden als "Erziehungsberechtigter". So was ging gar nicht, weil es eben nicht den Sitten und Gebräuchen entsprach.
Mein erstes Schiff war übrigens ein Holzkanadier. Mit 2,5 PS König Seitenbordmotor. Da habe ich das Schrauben gelernt, denn es gab keine Tour, wo nicht mindestens einmal der Motor nicht wollte. Mal zu heiß, mal zu kalt, mal kein Sprit, mal versoffen. Irgendwas war immer. Unsere heutigen Außenborder sind da garnicht vergleichbar in Sachen Zuverlässigkeit. Und wieder mal war "der König" abgesoffen. Zu viel Sprit, zu wenig Verbrennung. Also Kerzenschlüssel raus, Kerze raus und trockenwischen. Da merkte ich schlagartig, dass ich keinen Lappen dabei hatte, nicht mal ein Taschentuch. Rein gar nichts. Gar nichts? Mein Blick fiel auf den "Adenauer".... Und ich schäme mich noch heute, wenn ich daran denke, dass ich damals meine Kerzen mit der Nationalflagge trockengewischt habe! Das durfte niemand sehen oder wissen. Dummerweise hatte ich - so schlau hätte ich sein können - auch nicht den schwarzen Teil des Adenauers zur Entfettung verwendet, sondern den goldgelben. Und nun hatte er gewaltige Flecken. Ich hatte meine Nationalflagge beschmutzt! Das war ungefähr so, als hätte ich mein Heimatland beschmutzt. Mir war nicht wohl dabei damals, aber nach Hause paddeln wollte ich auch nicht. Jedenfalls habe ich gleich am nächsten Tag mein Taschengeld in einen neuen "Adenauer" investiert...

Und heute?
Schaurig, schaurig, nicht nur in Aurich!!!

ImHafen, und zwar egal in welchem, fühle ich mich wie ein Dinosaurier, der seine Zeit überlebt hat. Morgen stecke ich als erstes die Nationale ans Heck und abends, ungefähr bei Sonnenuntergang, hole ich sie wieder ein. Oft zur Verwunderung der Nachbar. Deren Nationale weht nicht nur 24/7, sie weht sogar die ganze Saison durch! Und so sieht sie auch aus! Bei uns hat letzten Winter einer sein Boot im Hafen im Wasser überwintert. Da wehte auch zur Heiligen Nacht und an jedem anderen Wintertag die Nationale, oder was der Sturm davon übrig gelassen hatte.
Wenn ich heute bei einem Segler nach Sonnenuntergang seinen "Adenauer" sicherstellen oder in den Masttopp ziehen würde, dann müsste ich vermutlich um meine Gesundheit fürchten, würde aber vermutlich vor den Vereinsvorstand zitiert.
Warum ist das so? Einfach vergessen? Oder "scheißegal"? Ich weiß es nicht, aber ich bedauere den Niedergang der alten seemännischen Gebräuche und Sitten.

Und die Nichtbeachtung der Gesetze und Vorschriften.
Wer setzt als Segler denn noch gleich sein Dreieck, Spitze nach unten, wenn er zu seinem Segel noch mal eben den Diesel mitlaufen lässt?
Kaum einer. Aber Sie ahnen es schon: ich mache das. Weil ich damit kundtue, dass ich kein vorfahrtberechtigtes Fahrzeug mehr bin. Es wird auch richtig teuer, wenn die WaschPo einen dabei erwischt. Aber wie hoch ist denn die Kontrolldichte inzwischen? Besser: wie niedrig? Es gibt doch kaum noch WaschPolizisten. In Bremerhaven haben sie sogar nur jede zweite Woche ein Schiff. Die andere Woche haben es die Kollegen in Wilhelmshaven. Alles wird kaputtgespart. Und am Ende leiden Recht und Ordnung.
Ich bin gewiss kein "Rechter". Aber die Verwässerung, ja den Zerfall aller Sitten und Gebräuche, die Missachtung von Vorschriften und Gesetzen finde ich wirklich bedauerlich. Alles wird irgendwie "egal", am Ende "scheißegal" und "unwichtig". Das beginnt im Kleinen und am Ende hat man kein Problem mehr damit, das Capitol zu stürmen oder den Reichstag.
Mal sehen, wo das noch hinführt...